Jesse Livermore

Aus Trader Wiki

Version vom 12. September 2006, 15:49 Uhr von GordonGecko-3 (Diskussion | Beiträge)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Wechseln zu: Navigation, Suche

Bereits als Fünfzehnjähriger kam Jesse Livermore mit der Börse in Kontakt: Er arbeitete als Kurs-Tafel-Boy bei einem Wertpapierhändler. Jesse Livermore stammte aus einfachen Verhältnissen und war stets ein Einzelkämpfer. Er gewann und verlor durch seine Spekulationen in den frühen Jahren unseres Jahrhunderts Millionen von Dollar. Durch seine spektakulären Transaktionen an der Börse avancierte Jesse Livermore noch zu Lebzeiten zu einer Legende und wurde von vielen seiner Bewunderer „Der König der Spekulation“ genannt. Seine Macht war so immens, dass weite Kreise ihn teilweise für den grossen Crash von 1929 verantwortlich gemacht haben. Ebenso spektakulär wie seine Handelsaktivitäten war auch sein Abschied von dieser Welt: Livermore erschoss sich am 28. November 1940.

„Die Kurse sind nie zu hoch, um zu kaufen, und nie zu niedrig, um zu verkaufen.“


Investoren & Spekulanten

Sie unterscheiden sich grundsätzlich in ihren Anlagenmotiven. Ein Investor ist an der Sicherstellung einer beständigen, möglichst hohen Verzinsung seines Kapitals interessiert; in dieser Hinsicht orientiert er sich mittel- bis langfristig. Investoren führen exakte Analysen durch, strengen genaue Untersuchungen über Gewinnstatistiken an und suchen nach Argumenten, mit denen sie mit grosser Wahrscheinlichkeit von der Gegenwart auf die Zukunft projektieren können. Der menschliche Faktor wird in der Regel auf ein Minimum reduziert. Bei Spekulanten handelt es sich um einen ganz anderen Menschenschlag. Sie bedienen sich der kurzfristigen Kurschwankungen und versuchen, bei steigenden oder bei fallenden Kursen Gewinne zu erzielen. Ein wichtige Voraussetzung für ein erfolgreiches Behaupten an der Börse besteht darin, frei von psychischer Belastung zu sein. Hierzu gehört es auch, keine unüberschaubaren Schulden zu besitzen, da dies dazu führt, dass man sich „pausenlos Gedanken macht“. Von solchen Belastungen sollte sich ein Trader befreien, um seine innere Ruhe und Selbstsicherheit zu bewahren.

„Man kann kaum einen grösseren Fehler beim Spekulieren machen als zu versuchen, einen Verlust mit einer anderen Position zumindest teilweise auszugleichen. Verkaufen Sie stets, womit Sie Verlust machen, und behalten Sie immer die Position, mit der Sie im Gewinn liegen.“


Der Markt

Eine von Livermores grundsätzlichen Aussagen war, dass es sinnlos ist, gegen den Markt anzukämpfen und ihn besiegen zu wollen. Das grosse Geld an der Börse verdientman nicht mit einzelnen Kursschwankungen, sondern mit dem Trend und den grossen Bewegungen des Marktes. Es ist im Prinzip gleichgültig, ob eine Phase der Hausse oder Baisse herrscht, denn: man „schwört ihnen nicht ewig Treue. Man bemüht sich vielmehr, das Richtige zu tun“.

„Die Grundlage einer erfolgreichen Spekulation in Aktien besteht in der Annahme, dass Menschen ihre in der Vergangenheit begangenen Fehler auch in Zukunft wiederholen.“


Das eigene Trading-System

Ein wichtige Voraussetzung für das erfolgreiche Agieren an der Börse ist die eingehende Auseinandersetzung mit den allgemeinen Marktbedingungen, um sie bewerten und um Wahrscheinlichkeiten vorwegnehmen zu können. Viele Trader machen Verluste, weil sie ohne ausreichende Kenntnisse auf dem Markt agieren und die Spielregeln nicht kennen. Durch den unbedingten Wunsch, ungeachtet der jeweiligen Ausgangsbedingungen ständig mit dabei sein zu wollen, entstehen viele Verluste an der Wall Street. Ein Trader sollte sein eigenes System zum Traden fi nden, das seiner Veranlagung und Denkweise entspricht. Es stellt eine für ihn optimale Methode dar und funktioniert wie ein perfektes System. Dieses System ist individuell und nicht übertragbar auf andere. Leider bleiben nur sehr wenige Trader konsequent bei ihrem eigenen, erprobten System und verlieren dadurch viel Geld. In dieser Hinsicht, so meint Livermore tröstlich und spricht auch aus eigener Erfahrung, ist es „eine unvergleichliche Erfahrung, alles zu verlieren, um zu lernen, was man falsch gemacht hat. Weiss man dann endlich, was man nicht tun darf, um Verluste zu vermeiden, fängt man an zu lernen, was man tun muss, um Gewinne zu erzielen“.

„Für manche Gewinne kann man ebenso wenig wie dafür, dass man nass wird, wenn man bei Regen ohne Schirm vor die Türe geht ...“


Strategien

Eines der hilfreichsten Börsenprinzipien ist es, den richtigen Zeitpunkt zu erwischen. Es kommt nicht so sehr darauf an, so billig wie möglich zu kaufen oder so teuer wie möglich zu verkaufen (zumal es fast unmöglich ist, den niedrigsten oder den höchsten Kurs zu erwischen). Grosse Trader erzielen das meiste Geld mit wenigen Prozenten über dem Tiefstkurs und unter dem Höchstkurs. Sie warten ab, bis sich eine Trendwende klar herauskristallisiert und sie absolut davon überzeugt sind, dass die Bedingungen richtig sind, und bauen dann ihre Bestände auf. Eine der Strategien ist, mehrere Transaktionen nacheinander durchzuführen. Schrittweise stockt man nun den Bestand auf, solange der Trend anhält. Nach der ersten Transaktion sollte man auf keinen Fall eine zweite durchführen, wenn bei der ersten kein Gewinn erzielt wurde. Dann gilt es, zu warten und zu beobachten. Man sollte sich aber auch nicht scheuen, den Bestand sofort wieder aufzulösen, wenn man feststellt, dass man falsch liegt. Es ist besser, geringe Verluste zu realisieren, als abzuwarten und zuzuschauen, wie einem der Markt davonläuft. Zur Absicherung der Gewinne werden Stopp-Loss-Orders eingesetzt, welche beim Anziehen der Kurse schrittweise angepasst werden. Sobald der Markt in eine andere Richtung umschwenkt, werden zwar die Aktien verkauft, aber Gewinne auch realisiert. Ein professioneller Spekulant hat es nicht auf grosse, sondern auf sichere Gewinne abgesehen!

„Sich über die Börse zu ärgern, weil sie sich unerwarteter – oder sogar unlogischerweise – genau gegenläufig zur eigenen Einschätzung verhielt, könnte man mit Ärger über die eigenen Beine vergleichen, über die man gestolpert ist.“

Beim Aufbau eines Bestandes ist das Trading-Volumen zu beachten. Dies gilt besonders, wenn man in marktengen Werten (Werte mit geringem Umsatzvolumen) handelt. Hier kann man „sich nicht einfach davonstehlen bzw. glattstellen, wenn man möchte oder glaubt, dass es klug wäre; der Ausstieg muss dann erfolgen, wenn es eben geht, also wenn der Markt den gesamten Marktbestand aufnehmen kann“. Eine ganz wichtige Regel von Livermore lautet, dann zu verkaufen, „wenn man kann, und nicht, wann man möchte“. Es sollte immer bedacht werden, dass bei Aktienverkäufen eine entsprechende Nachfrage dahinter stehen muss, d. h. ein anderer muss die Aktien wollen. Insofern ist es nicht ratsam, beim Höchststand der Kurse verkaufen zu wollen.

„Der Mut eines Spekulanten widerspiegelt nur das Vertrauen in seine Handlungsweisen aufgrund wohl überlegter Entscheidungen.“

In diesem Zusammenhang sind die Widerstandslinien zu beachten. Kurse gehen – wie alles andere – immer den Weg des geringsten Widerstandes, bis sie an eine Begrenzung stossen, d. h. dass bei steigenden Kursen die Verkäufe langsam die Käufe übersteigen, der Kurs also stoppt und zu sinken beginnt. Ein intelligenter Trader wartet geduldig auf das Erkennen einer Widerstandslinie. Er wartet nicht den höchsten oder den niedrigsten Kurs zum Einsteigen ab. Dies überlässt er den Kräften derjenigen Trader, welche falsch liegen und ihre Fehler korrigieren. Diese Korrekturen führen im Allgemein dazu, dass Kursbewegungen an der Linie des geringsten Widerstands stattfinden. Erst beim Durchbrechen dieser Widerstandslinie ist ein Engagement lohnenswert. Es macht wenig Sinn, zu versuchen, die nächste grosse Kursbewegung – nach oben oder nach unten – vorwegnehmen zu wollen. Es gilt vielmehr, den Markt und den Kurs zu beobachten und erst dann zu handeln, wenn der Kurs die Begrenzung in eine Richtung durchbricht. In diesem Zusammenhang sind besonders marktenge Werte interessant, in denen keine nennenswerten Kursbewegungen festzustellen sind und bei denen die Kurse sich innerhalb einer engen Bandbreite bewegen.

„Es gibt keinen Grund, sich darüber zu ärgern, dass man auch nur ein Mensch ist.“


Psychologie

Jesse Livermore hat sich sehr intensiv mit vielen Aspekten der Psychologie beschäftigt. Gebetsmühlenhaft hat er immer wieder betont, dass der grösste Feind des Traders in uns selbst steckt: die menschlichen Natur! Der Trader muss die beiden tief verwurzelten Instinkte Hoffnung und Angst, welche eng mit der menschlichen Natur verbunden sind, ständig bekämpfen. Er muss sich eingehend mit seinen Fehlern auseinander setzen und sich dieser bewusst werden. Denn nicht die Börse schlägt die Trader, sondern sie schlagen sich selbst.

„Hört man seinen Gesprächspartnern zu, lässt sie ausreden und alle Fakten auf den Tisch legen, ist man danach durchaus in der Lage, sofort eine Entscheidung zu treffen. Dies spart viel Zeit, da sinnlose Debatten und langwierige Diskussionen vermieden werden.“

Livermore bekennt sich ganz klar zu Emotionen; für ihn sind Menschen keine Maschinen, bei denen man sich darauf verlassen kann, dass sie zu allen Zeiten eine gleich gute Leistung erbringen. Menschen sind nicht vor Einflussnahme, vor Pech und Missgeschick gefeit. Auch wenn man nicht gegen seinen eigenen Willen überzeugt werden kann, so kann doch so lange auf einen eingeredet werden, bis man verunsichert ist. Die Überzeugungskraft einer faszinierenden Persönlichkeit, besonders wenn diese über einen brillanten Verstand verfügt, kann ein gefährlicher Feind des Traders werden. Man verliert das nötige Selbstvertrauen, kann seine Trades nicht mehr zuversichtlich und mit der nötigen inneren Ruhe durchführen. Hier ist es wichtig, sich eingehend mit den allgemeinen Marktbedingungen zu befassen, einen Standpunkt zu beziehen und es dabei zu belassen, einerlei was andere vorzubringen haben. Gefühle und Emotionen sollen nicht ausgeschaltet werden, denn sie können einem auch grosse Dienste erweisen. Entscheidungen aus dem Bauch heraus können sehr gute Entscheidungen sein, auch wenn sie zunächst nicht zu begründen sind. Beim eingehenden Studium von Marktsituationen schaltet sich das Unterbewusstsein immer mit ein und „arbeitet“ mit, sodass unbewusst alle Faktoren verarbeitet werden und sich zu einer emotionalen Entscheidung verdichten können. So hat Livermore oft aufgrund seiner Intuition viele richtige Entscheidungen getroffen, die für andere nicht nachvollziehbar waren.

„Der Glaube an Wunder, der in allen Menschen verwurzelt ist, entspringt einer allzu grossen Hoffnung. Es gibt Menschen, die immer wieder in Hoffnung verfallen. Und wir alle kennen die chronisch hoffenden Trinker, die uns als beispielhafte Optimisten vor Augen geführt werden. Mit Tippgebern ist es nicht anders.“

Ein weiterer wichtiger Punkt ist, keine zu enge Bindung zum Geld aufzubauen, so widersprüchlich sich das zunächst anhören mag. Die Motivation, an der Börse zu agieren, lag bei Livermore weniger im Gefallen an leicht verdientem Geld als vielmehr darin, seinen Spass zu haben, sich im tagtäglichen Wettkampf mit anderen Tradern zu behaupten und selbst gesteckte Ziele zu erreichen. Insofern wog ein Verlust weniger schwer, er war leicht wegzustecken und zu vergessen. Mehr zu schaffen machte Livermore die Tatsache, wenn seine Einschätzung falsch lag. Es hilft hier auch nicht, Groll zu hegen oder mit Verbitterung auf die Börse zu reagieren. Letztlich bestimmt der Markt oder der Kurs das Geschehen und drückt damit die Wahrheit aus. Das ist der Massstab, an dem man sich zu orientieren hat, weniger das, was man sich erhofft oder wünscht.

„In einem Bull-Markt werden bearische Nachrichten ignoriert, während auf bullische Meldungen euphorische Reaktionen folgen und vice versa.“


Tipps & Empfehlungen

Sie waren für Jesse Livermore ein rotes Tuch. Er hat immer wieder betont, dass er selbst Tipps oder Empfehlungen anderer nicht befolgt und auch keine an andere abgegeben hat. Für diese Eigenart wurde er oft als egoistisch und hartherzig bezeichnet. Seiner Philosophie als Trader gemäss muss ein Trader lernen, seiner eigenen Eingebung und Erfahrung zu folgen und die Tipps anderer zu ignorieren. Tipps bergen die Gefahr, ohne eigene Gedankenleistung und ungeprüft die Meinung anderer zu übernehmen. Sie schwächen die eigene Urteilskraft, „denn wer auf der Suche nach Tipps ist, ist nicht wirklich hinter guten Tipps her, sondern einfach nur hinter jedem Tipp her“. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Neigung von Menschen, eher fremden Personen Glauben zu schenken als solchen, die ihnen nahe stehen. Auf der anderen Seite sind viele Teilnehmer an der Börse darauf erpicht, selbst Tipps abzugeben und gezielt unter das Publikum zu streuen, um sich einen eigenen Vorteil zu verschaffen. Tippgeber bedienen sich vieler Instrumente, die ihnen helfen sollen, ihren überschüssigen Bestand zum bestmöglichen Kurs zu veräussern. Auch die überwiegende Mehrheit der „bullish“ eingestellten Zeitungsartikel vermitteln dem Publikum unzuverlässige und irreführende Eindrücke. In diesem Zusammenhang fallen oft unbestimmte Aussagen wie: „aus zuverlässiger Quelle ist zu erfahren ...“, „ein Vorstandmitglied erwähnte ...“ oder „ein führender Banker meinte ...“. Bei etwaigen Regressansprüchen kann aufgrund der Anonymität letztlich auf niemanden zurückgegriffen werden. Im Gegensatz zu einem Trader ist es für Redakteure des Wirtschaftsteils einer Zeitung nicht lebensnotwendig, ihre Fakten methodisch zusammenzustellen und die entsprechenden Schlussfolgerungen daraus zu ziehen. Ein Trader sollte in erster Linie immer an sich selbst glauben und auf sein eigenes Urteil vertrauen.

„Ein Markt ist häufig schon kein Bull-Markt mehr, wenn die Kurse auf breiter Front abbröckeln.“


Weblinks