Sollten Sie jetzt Ihr Depot räumen?

Was längst abzusehen war, wurde von den Anlegern zu lange ignoriert und führt jetzt wieder zu panikartigen Verkäufen an den Börsen: Die immer stärker steigenden Infektionszahlen werden von der Politik mit immer drastischeren und umfangreicheren Maßnahmen quittiert. Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit könnten wieder zunehmen und die Gefahr von Unternehmensinsolvenzen erneut steigen. Und so geht an den Börsen nun wieder die Angst vor Konsum- und Umsatzausfällen um, was natürlich mit entsprechend umfangreichen Aktienverkäufen quittiert wird.

Die Verkaufswelle reißt wieder fast alle Aktien mit

Zwar kann man an den unterschiedlich hohen Kursverlusten erkennen, dass Anleger durchaus differenzieren, ob und inwieweit Unternehmen von einem neuerlichen Lockdown getroffen werden, doch letztlich muss man Kursgewinner derzeit mit der Lupe suchen. Denn wenn die Aktienmärkte einmal von der Verkaufswelle erfasst werden, werden alle Aktien ohne Unterscheidung auf den Markt geworfen. Das liegt insbesondere auch an Fonds, aus denen Anleger ihr Geld abziehen und die dann ihre Einzelinvestments gleichermaßen abstoßen müssen, um die Gewichtung gemäß ihrer Anlagestrategie und ihres Anlageziels beizubehalten. So kommt es dazu, dass auch Aktien unter die Räder kommen, bei denen die dahinterstehenden Unternehmen eigentlich gut durch die Krise kommen.

Sollte man jetzt auch die eigenen Aktien losschlagen?

Lohnt es sich nun, in einer solchen Phase die eigenen Aktien ebenfalls zu verkaufen, um diese am Ende der Korrektur zurückzukaufen? Die Antwort lautet natürlich: Es kommt darauf an. Doch in vielen Fällen lohnt ein Verkauf nicht. Das belegen zumindest diverse Studien. Demnach finden die meisten Anleger nicht das richtige Timing.

Niemand weiß, wie weit die laufende Korrektur die Kurse nun wieder purzeln lässt. Und es stellt sich die Frage, wann verkaufte Aktien wieder zurückkaufen werden sollen. Kaufsignale entstehen meist erst dann, wenn sich die Aktien von ihren Tiefs schon ein gutes Stück erholt haben. Im Zweifelsfall steigt man sogar erst ein, wenn die Aktie den Verkaufskurs bereits wieder überschritten hat. In diesem Fall hat man nicht nur den Einstandskurs verschlechtert, sondern sich auch noch Transaktionskosten für den Verkauf und den Rückkauf aufgeladen.

Am Hoch verkaufen und am Tief kaufen

Es kann daher Sinn machen, das Depot lediglich über die Investitionsquote zu steuern. Das funktioniert, indem man in steigende Kurse hinein auch mal Gewinne mitnimmt, sich damit Cash verschafft, welches man dann in einer Korrektur reinvestiert. Dabei kann man sich an der Charttechnik orientieren oder an den fundamentalen Daten.

Steigt eine Aktie deutlich an und erreicht sie wichtige Widerstände, bieten sich Gewinnmitnahmen an. Fällt die Aktie dann zurück und findet sie an Unterstützungen Halt, bietet sich ein Rückkauf an. Bei dieser Vorgehensweise verkauft man eine Aktie nicht erst dann, wenn sie bereits im Rahmen einer Korrektur gefallen ist. Und man kauft sie nicht erst, wenn sie bereits wieder gestiegen ist.

Ähnlich verhält es sich, wenn man nach fundamentalen Daten geht. Endete zum Beispiel der Kursanstieg einer Aktie in der Vergangenheit regelmäßig, wenn sie ein Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von ungefähr 20 erreicht hat, dann sollte man die Aktie auch weiterhin bei dieser Bewertung verkaufen. Und zog eine Aktie regelmäßig Käufer bei einem KGV von 10 an, dann macht es auch jetzt Sinn, auf diesem Bewertungsniveau einzusteigen.

Während man beim Investieren nach der Charttechnik also nur auf den Kurs einer Aktie schaut, spielt dieser beim Investieren nach fundamentalen Kriterien kaum eine Rolle. Idealerweise kombiniert man beide Methoden. Hat eine Aktie ein fundamentales Extrem erreicht, sucht man nach aktuellen Widerständen für einen Verkauf bzw. nach Unterstützungen für einen Kauf.

Wohl dem, der bereits Gewinne mitgenommen hat

Diese Basics des Tradens sollten jedem Anleger an der Börse bekannt sein. Wenn Sie die Börse-Intern schon länger lesen, dann wissen Sie, dass ich in der jüngeren Vergangenheit zur Zurückhaltung und einer abwartenden Haltung aufgerufen habe. Auch hatte ich zu Gewinnmitnahmen ermuntert. Ziel war es, die Investitionsquote zu verringern, weil ich mit einer erneuten Korrektur gerechnet hatte, da insbesondere die US-Indizes fundamental recht hoch bewertet waren und sind. Dazu hat die Berenberg Bank am Montag folgende Grafik veröffentlicht.

fundamentale Bewertung diverser Aktienindizes
(Quelle: Berenberg Märkte | Monitor)

Gerade US-Aktien aus dem S&P 500 sind demnach sowohl bezüglich des Kurs-Gewinn-Verhältnisses (KGV) als auch des Kurs-Buchwert-Verhältnisses (KBV) sehr hoch bewertet – und das waren sie auch schon vor 4 Wochen. Vor diesem Hintergrund muss es nicht verwundern, dass bereits am 3. September eine Korrektur in den US-Indizes eingesetzt hat. Von Ende September bis Mitte Oktober kam es zwar noch einmal zu einer ordentlichen Erholung, doch nun wurde diese zu einem großen Teil verkauft, im Dow Jones sogar schon vollständig.

Die aktuelle Bilanz des DAX

Noch schlimmer hat es unsere heimischen Märkte getroffen. Der DAX hat am Montag seine Seitwärtsrange nach unten verlassen und inzwischen recht eindeutig ein Rounding-Top komplettiert. Heute notierte der deutsche Leitindex auf einem Niveau, welches er zuletzt am 26. Mai erreicht hatte (siehe roter Pfeil im folgenden Chart). Anleger, die einer Buy-and-Hold-Strategie folgen, haben dadurch seit mehr als 5 Monaten nichts mehr gewonnen.

Immerhin notiert der DAX aber noch um fast 40 % über dem Tief des Corona-Crashs. Doch vom Hoch der Erholung, welches genau wie bei den US-Indizes am 3. September markiert wurde (bei 13.460 Punkten), hat der DAX inzwischen fast 15 % verloren. Und da er im Gegensatz zu den US-Indizes das Tief von Ende September bereits deutlich unterschritten hat, befindet er sich in einem klaren Abwärtstrend. Und diese Korrektur läuft schon seit fast 2 Monaten. Wer also erst jetzt beginnt, seine Aktien zu verkaufen, könnte damit ziemlich spät dran sein.

DAX - Target-Trend-Analyse

Zumal der DAX gestern exakt 38,20 % der Kurserholung vom Corona-Tief korrigiert hat und somit das Mindestziel einer Gegenbewegung bereits vollständig abgearbeitet wurde (dicke schwarze Linien = Fibonacci-Marken). Wenn der DAX nun in Kürze wieder nach oben dreht und Sie sich ausgerechnet jetzt von Ihren Aktien trennen, dann könnten Sie im Extremfall exakt am Tief verkauft haben.

In fallende Kurse nicht verkaufen, sondern kaufen

Es könnte daher, je nach Möglichkeit und Tradingstil, jetzt eher Sinn machen, vorhandenes Cash, welches womöglich aus Gewinnmitnahmen generierte wurde, schrittweise in die fallenden Kurse hinein zu reinvestieren. Das gilt insbesondere dann, wenn man erwartet, dass die zweite Corona-Welle weniger Schäden anrichtet als die erste. Denn in diesem Fall könnte die aktuelle Abwärtswelle im DAX oder auch in Einzelaktien früher enden als die erste, zum Beispiel am 50%- oder 61,80%-Fibonacci-Retracement der diesjährigen Kurserholung.

Zur Erinnerung: Genau zu dieser Strategie hatte ich auch schon während des Corona-Crashs geraten. Und wenn Sie Ende Februar und Anfang März in die fallenden Kurse hinein gekauft haben und in der anschließenden Kurserholung Gewinne realisieren konnten, dann bietet es sich doch jetzt an, das Ganze zu wiederholen.

Depot über Short-Trades absichern

Und wenn Sie noch von weiter fallenden Kursen ausgehen, dann könnten Sie ihr Depot derweil auch über einen Short-Trade absichern, statt ihre Aktien zu verkaufen. Denn das spart einerseits Transaktionskosten und Sie können andererseits mit Gewinnen aus der Short-Position Verluste bei ihren Aktien kompensieren, zumindest teilweise.

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg beim Trading
Ihr
Sven Weisenhaus

(Quelle: www.stockstreet.de)

Sven Weisenhaus ist Chefredakteur des renommierten Börsen-Newsletters Börse-Intern, der vom bekannten Börsen-Portal Stockstreet.de herausgegeben wird. Er schreibt dort auch die Analysen des „Target-Trend-Spezial“ - einem börsentäglichen Dienst, der den DAX und andere Indices nach der berühmten Target-Trend-Methode analysiert.

www.stockstreet.de

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