Eskalation im Nahen Osten scheint vom Tisch

Wer gestern Morgen auf die Kurstafeln schaute, der könnte von einer unspektakulären Nacht ohne Ereignisse ausgegangen sein. Doch kurz nach Mitternacht (MEZ) rauschte im CFD-Handel zum Beispiel der Dow Jones um ca. 430 Punkte in den Keller – als der Iran US-Militärbasen im Irak angriff. Dies schürte erneut die Angst vor einer weitergehenden Eskalation und einem möglichen neuen Krieg im Nahen Osten.

Aktien finden schnell wieder neue Käufer

Doch die Kursverluste an den Aktienmärkten waren wieder nur von kurzer Dauer, ebenso wie der deutliche Anstieg bei den Ölpreisen, Gold und Staatsanleihen. So ging der „offizielle“ Börsenhandel gestern so an den Start, als wäre in der Nacht nichts passiert. Doch die Kursreaktionen der Nacht haben gezeigt, wie heikel die aktuelle Situation ist und wie schnell Meldungen zu heftigen Kursbewegungen führen können. Die zügige Rückkehr der Anleger in den „Risk-On“-Modus ist vor diesem Hintergrund beeindruckend.

Aktuelle Konjunkturdaten können sich sehen lassen

Fundamental betrachtet ist sie aber durchaus nachvollziehbar. Denn die Börsenkurse spiegeln eben primär das wirtschaftliche Geschehen und stets nur temporär das politische Geschehen wider. Ob es politisch zu einer Eskalation im Nahen Osten kommt, ist nach wie vor offen. Und ob bzw. wie sich eine derartige Eskalation gegebenenfalls auch wirtschaftlich auswirkt, steht noch in den Sternen. Schaut man auf die aktuellen Wirtschaftsdaten, ist die Gelassenheit der Anleger jedenfalls nachvollziehbar.

Die gestrigen ADP-Arbeitsmarktdaten als Vorbote des am Freitag folgenden offiziellen US-Arbeitsmarktberichts lagen zum Beispiel mit 202.000 neuen Stellen über den Erwartungen (160.000). Und die endgültigen Einkaufsmanagerindizes zur Eurozone und der US-Wirtschaft für Dezember von IHS Markit fielen besser aus als in der Erstschätzung. Der Composite-Index Eurozone wurde zum Beispiel von 50,6 (siehe Börse-Intern vom 17. Dezember) auf 50,9 Punkte nach oben revidiert.

IHS Markit Einkaufsmanagerindex Eurozone Composite (Industrie und Dienstleistung)

Nun ist das sicherlich kein großer Sprung, doch scheint sich damit das Wachstum der Eurozone immerhin wieder etwas zu beschleunigen – und das ist ein Grund für Gelassenheit.

Zudem verbesserte sich der Composite-Index der US-Wirtschaft von vorläufig ermittelten 52,2 auf 52,7 Punkte und steht damit sogar so hoch wie seit April 2019 nicht mehr.

IHS Markit Einkaufsmanagerindex USA Composite (Industrie und Dienstleistung)

Bereits in der Börse-Intern vom 17. Dezember hatte ich geschrieben, dass das Teilabkommen im Handelsstreit zwischen den USA und China sowie die Aussicht auf einen geregelten Brexit in den Umfrageergebnissen noch nicht berücksichtigt waren und die Unternehmenslenker noch etwas positiver in die Zukunft blicken dürften. Jetzt wird es spannend, wie sehr diese positiven Aspekte von den Entwicklungen im Nahen Osten überschattet werden.

Zweigeteilte Wirtschaft

Und man sollte weiterhin berücksichtigen, dass die Wirtschaft zweigeteilt ist. Das haben jüngst auch die Einkaufsmanagerdaten vom Institute for Supply Management (ISM) gezeigt. So ist der Index für das verarbeitende Gewerbe der USA im Dezember von 48,1 auf 47,2 Punkte überraschend weiter gesunken. Und er erreichte damit den niedrigsten Wert seit Beginn des Aufschwungs Mitte 2009 (!). Zugleich hat sich aber die Stimmung der US-Dienstleister überraschend deutlich aufgehellt. Der Serviceindex sei um 1,1 Punkte auf 55,0 Zähler gestiegen, teilte das ISM vorgestern zu den Umfrageergebnissen mit. Hier wurde immerhin der höchste Wert seit August 2019 erreicht.

Neue Notenbankliquidität für die Märkte

Treibend auf die Aktienkurse dürfte auch wirken, dass Chinas Notenbank seit dem 6. Januar die Reserveanforderung für Banken bei der Kreditvergabe um 0,5 Prozentpunkte gesenkt hat. Damit soll das Wirtschaftswachstum angekurbelt und der Rückgang beim Wachstumstempo gebremst werden. Chinas Notenbank bezifferte das Volumen, das durch diesen Schritt freigesetzt wird, auf rund 800 Milliarden Yuan (104 Mrd. Euro).

Mit der aktuellen Maßnahme müssen große Banken noch 13 % eines Kredits bei der Zentralbank hinterlegen, für kleinere Häuser liegt der Satz bei 11 %. Und die chinesische Notenbank hat in diesem Bereich noch eine Menge Spielraum, um die heimische Wirtschaft zu stützen.

Eskalation im Nahen Osten scheint vom Tisch

Und so erklärt es sich wohl, dass die Anleger die fundamentale Lage höher gewichtet haben als eine mögliche Eskalation im Nahen Osten, die aber nach der gestrigen Rede von US-Präsident Donald Trump vorerst auch vom Tisch scheint. Entsprechend konnten die Aktienmärkte während und nach der Rede auch weiter zulegen, während die sicheren Häfen wieder auf den Markt geworfen wurden und die Ölpreise deutlich nachgaben. Eine Stärkere Korrektur könnte damit nun noch etwas auf sich warten lassen. Angesichts der überkauften Aktienmärkte sollte man aber jederzeit auf eine solche vorbereitet sein.

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihrer Geldanlage
Ihr
Sven Weisenhaus

(Quelle: www.stockstreet.de)

Sven Weisenhaus ist Chefredakteur des renommierten Börsen-Newsletters Börse-Intern, der vom bekannten Börsen-Portal Stockstreet.de herausgegeben wird. Er schreibt dort auch die Analysen des „Target-Trend-Spezial“ - einem börsentäglichen Dienst, der den DAX und andere Indices nach der berühmten Target-Trend-Methode analysiert.

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