Worum es im DAX wirklich geht

Sehr verehrte Leserinnen und Leser,

zunächst wünsche ich Ihnen und Ihren Lieben alles Gute für das neue Jahr 2020 – vor allem natürlich Gesundheit, Wohlergehen und Zufriedenheit in allen Lebensbereichen sowie viel Erfolg bei Ihren Investments und eine spannende Zeit an den Börsen!

Der Jahreswechsel ist die Zeit für allerlei Prognosen

Der Jahreswechsel ist ja nicht nur Anlass für viele gute Wünsche und Vorsätze, sondern auch die Zeit für allerlei Prognosen, zu Politik, Technik, Konjunktur und natürlich Aktienkursen. Und so taten auch diesmal ein gutes Dutzend Banken ihre Einschätzung kund, wo DAX und Co. am Jahresende stehen könnten.

Solche Kursprognosen sind häufig das Papier und den Speicherplatz nicht wert, wohin sie geschrieben werden. Mitunter sind sie aber aufschlussreich, weil sie einen „blinden Fleck“ der Analysten offenbaren. Das sind Kursbereiche, die überhaupt nicht erwartet werden und daher aus antizyklischer Sicht eine gewisse Wahrscheinlichkeit haben, dennoch angesteuert zu werden.

In diesem Jahr rechnet z.B. keine der befragten Banken mit einem fallendem DAX. Mit Blick auf die Belastungen für die Aktienmärkte, die in der Börse-Intern schon oft genannt wurden, ist das natürlich erstaunlich: Handelsstreit, Konjunkturschwäche, Gewinnerosion und – ganz aktuell – die Eskalation im USA-Iran-Konflikt haben durchaus das Potenzial, die Aktienmärkte unter Druck zu setzen.

Warum die DAX-Prognosen so interessant sind

Die DAX-Prognosen der Banken sind in diesem Jahr aber noch aus einem anderen Grund interessant: Mehr als die Hälfte der Prognosen entfiel unisono auf den schönen runden Wert von 14.000 Punkten. Da stutzt der geneigte Beobachter natürlich. Wie kommt es zu einer derartigen Übereinstimmung? Da keimt schnell der Verdacht auf, dass es sich um eine „Marketing-Kennziffer“ handelt.

Als solche bietet die 14.000er Marke eine Reihe von Vorteilen. Erstens liegt die Zahl über dem bisherigen Allzeithoch des DAX und strahlt daher Optimismus aus. Zweitens liegt sie im nächsten Tausender-Bereich, klingt also nach (viel) mehr, als der DAX bisher bot, was ebenfalls positiv wirkt. Drittens bleibt sie dabei mit einem Kurspotenzial von 6,9 % (gerechnet vom DAX-Kurs zum Prognosezeitpunkt von 13.100 Punkten) in einem realistischen, aber dennoch attraktiven Rahmen. Die perfekte Prognose also!

Unterstellt man eine solche Denkweise, dann kommt man schnell zur Frage, warum dann nicht wenigstens einer der Analysten die 15.000er Marke als Kursziel ausgerufen hat. Mir persönlich erscheint sie „noch runder“ (als Mittelpunkt des aktuellen Zehntausender-Bereichs) und mit 14,5 % Kurspotenzial ist sie auch noch nicht zu ambitioniert. Aber nein – die optimistischste Prognose lag „nur“ bei 14.600 Punkten.

Ein paar Anhaltspunkte für das Potenzial im DAX

Aber vielleicht haben sich die Analysten ja doch etwas bei ihren Angaben gedacht – obwohl es natürlich schwierig ist, in Regionen jenseits des Allzeithochs Kursziele auszumachen (wenn man von der Target-Trend-Methode absieht). Doch eine oft übersehene Besonderheit des DAX bietet ein paar Anhaltspunkte dafür.

Der DAX ist – anders als alle anderen Länder- und Regionenindizes, wie Euro STOXX 50 oder S&P 500 – ein Performance-Index. Er wird also inklusive der Dividendenausschüttungen seiner Indexmitglieder angegeben. Alle anderen Vergleichsindizes sind dagegen „nur“ Kurs-Indizes, die zwar die Kursentwicklung der Indexmitglieder wiedergeben, aber die Dividenden außen vor lassen.

Es gibt aber auch zum DAX ein Pendent, das als Kurs-Index geführt wird, der DAX-Kursindex. Und dort bietet sich charttechnisch ein sehr aufschlussreiches Bild (siehe folgender Chart):

DAX-Kursindex seit 2000

Quelle: MarketMaker

So schlecht ist der DAX wirklich!

Dieser Chart zeigt, wie schwach der deutsche Aktienmarkt tatsächlich ist: Bereits 2007 (als der S&P 500 vor der Finanzkrise an seinem Hoch von 2000 scheiterte) erreichte der Kurs-DAX nicht annähernd sein 2000er Niveau (rot gestrichelte Linie). Erst 2015 erreichte er dieses Hoch, scheiterte dort jedoch. Zu diesem Zeitpunkt notierten Dow Jones und S&P 500 seit fast zwei Jahren auf neuen Allzeithochs, der NASDAQ 100 knackte sein „Wahnsinns-Hoch“ von 2000 immerhin 2016 (und brach Anfang 2017 nachhaltig darüber aus).

Der Kurs-DAX hingegen brauchte bis Ende 2017 um überhaupt wieder in diese Kursregionen vorzustoßen. Und auch dann gelang ihm kein endgültiger Ausbruch. Im November 2017 und im Januar 2018 konnte er zwar das Allzeithoch ein paar Mal nach oben schieben (auf mittlerweile 6.443,75 Punkte; siehe kurze rote Linie), aber der Einbruch von 2018 warf ihn wieder zurück. Seitdem versucht er, sich wieder zurück zu kämpfen, hat aber noch gutes Stück Weg vor sich.

Übrigens zeigt der Blick auf den Kurs-DAX auch, warum sich der DAX zuletzt so schwertat mit seinem weiteren Anstieg: Der Kurs-DAX scheiterte mehrfach an der 6.000-Punkte-Marke (blau gestrichelte Linie), die offenbar einen stärkeren Widerstand darstellt.

Das ist jetzt entscheidend!

Der Kurs-DAX zeigt also, worum es am deutschen Aktienmarkt wirklich geht: nicht um das Allzeithoch des DAX bei rund 13.600 Punkten, sondern um die massive Widerstandszone im Kurs-DAX zwischen 6.266 Punkten (Hoch von 2000) und 6.444 Punkten (Hoch von 2018). Dieser Bereich ist durch die Zwischenhochs von 2015 und 2017 zusätzlich verstärkt, so dass ein Ausbruch des Kurs-DAX darüber zum einen sehr schwer werden, aber zum anderen erhebliches Kurspotenzial freisetzen dürfte – immerhin wäre dann der Weg nach oben frei!

Mit Hilfe des Kurs-DAX lässt sich auch das Potenzial für den DAX abschätzen – je nachdem, welches Szenario man annimmt. Berücksichtigen muss man dabei natürlich die aktuelle Dividendenrendite von rund 3 %, die im DAX jeweils noch hinzukommt.

Das naheliegendste Szenario ist natürlich, dass der Kurs-DAX im Jahresverlauf (aber nicht notwendigerweise zum Jahresende!) sein Allzeithoch erreicht. Bis dahin muss er aktuell (bei einem Kurs von ca. 5.800 Punkten, der etwa auch dem Stand zum Zeitpunkt der o.g. Prognosen entspricht) einen Anstieg von 11,1 % bewältigen. Zuzüglich der genannten 3 % Dividendenrendite kommt man also auf 14,1 % – das ist fast exakt die Differenz, die dem DAX noch bis zur 15.000-Punkte-Marke fehlt!

Die 15.000er-Marke im DAX ist tatsächlich bedeutsam

Meine zunächst nur rein willkürlich in den Raum gestellte „Marketing-Kennziffer“ von 15.000 Punkten ergibt als Kursprognose für den DAX tatsächlich Sinn: Wenn der DAX bis dorthin steigt, erreicht der Kurs-DAX sein Allzeithoch. Das ist zweifellos ein lohnendes Ziel für Bullen! Und damit erscheint auch die DAX-Prognose von 14.600 Punkten, die ein Analyst gewagt hat, in einem anderen Licht: Durch eine analoge Umrechnung ergibt sich daraus für den Kurs-DAX ein Ziel von 6.290 Punkten. Das entspricht etwa dem alten Hoch von 2000. Demnach würde sich der Kurs-DAX in diesem Jahr zunächst noch einmal in seiner Widerstandszone der Hochs der vergangenen 20 Jahre verheddern – bevor ihm vielleicht der Ausbruch gelingt.

Und selbst für die in den Prognosen häufig genannt runde 14.000er Marke findet sich eine Entsprechung im Kurs-DAX: Der errechnete Wert von 6.025 Punkten könnte bedeuten, dass die Analysten bestenfalls einen knappen Ausbruch über die runde 6.000er Marke im Kurs-DAX erwarten. Aber ob sie tatsächlich alle solche oder ähnliche Berechnungen angestellt haben oder die Angabe nicht doch einfach nur eine „Hausnummer“ ist, werden wir wohl nicht erfahren…

Prognosen sind schwierig, aber…

In jedem Fall gehen alle diese Szenarien von einem steigenden DAX/Kurs-DAX aus. Und insbesondere mit Blick auf die mögliche Verschärfung des USA-Iran-Konflikts ist inzwischen eher das Gegenteil zu befürchten. Und vielleicht führt diese Verschärfung dazu, dass in diesem Jahr der blinde Fleck vom DAX angelaufen wird, es also zu fallenden Kursen kommt. Und genau deshalb ist die Angabe von Kursprognosen, insbesondere zu einem bestimmten Zeitpunkt, wenig sinnvoll. Die Bedingungen für die Börsen können sich jederzeit urplötzlich ändern – und damit auch die Prognosen.

In unseren Börsenbriefen analysieren wir daher ständig das Marktgeschehen und geben unseren Lesern konkrete Hinweise und Empfehlungen für ihre Depots. Und hier in der Börse-Intern erfahren Sie börsentäglich die neuesten Entwicklungen von Wirtschaft, Börsen und Politik und wie sie sich auf die Finanzmärkte auswirken. Daran wird sich auch 2020 nichts ändern. Zumindest dieser Prognose können Sie ganz beruhigt vertrauen…

Mit besten Grüßen

Ihr Torsten Ewert

(Quelle: www.stockstreet.de)

Sven Weisenhaus ist Chefredakteur des renommierten Börsen-Newsletters Börse-Intern, der vom bekannten Börsen-Portal Stockstreet.de herausgegeben wird. Er schreibt dort auch die Analysen des „Target-Trend-Spezial“ - einem börsentäglichen Dienst, der den DAX und andere Indices nach der berühmten Target-Trend-Methode analysiert.

www.stockstreet.de

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