Bricht das Kartenhaus langsam zusammen?

Die Anleger konnten sich vorgestern zum Start in die Handelswoche noch über positive Konjunkturdaten freuen. So legte der chinesische Einkaufsmanagerindex für die Industrie von 51,7 auf 51,8 Punkte zu. Das Pendant für die europäische Industrie stieg nach den endgültigen Zahlen auf 46,9 Punkte, nachdem die Erstschätzung nur auf 46,6 Zähler lautete (Oktober: 45,9). Auch der Index für die deutsche Industrie verbesserte sich stärker zu als in der Schnellschätzung gemeldet (44,1 statt 43,8 – siehe Grafik).

IHS Markit-Einkaufsmanagerindex der Industrie in Deutschland

Mit diesen Daten konnten die Aktienmärkte weiter zulegen. Doch dann drehte der Wind – und zwar plötzlich und heftig.

Trump holt wieder die Zoll-Keule raus

US-Präsident Donald Trump kündigte eine sofortige Wiedereinführung von Zöllen auf Stahl- und Aluminiumprodukte aus Brasilien und Argentinien an, weil die Währungen der Länder gegenüber dem Dollar abgewertet hatten. Diese Aussage hört sich so an, als ob die Länder ihre Währung absichtlich abgewertet haben, um dem Dollar zu schaden oder sich gegenüber dem Dollar einen Vorteil zu verschaffen. Doch der eigentliche Grund für die Abwertung ist, dass beide Länder erhebliche wirtschaftliche Probleme haben.

Unabhängig davon warf die WTO zudem der EU vor, Subventionen für Airbus nicht vollständig abgebaut zu haben. Und dies schürte Ängste, die USA könnten auch wieder bzw. weitere Zölle auf EU-Importe erheben. Die WTO hatte den USA in diesem Zusammenhang schon einmal grünes Licht für Strafzölle gegeben (siehe auch unter anderem Börse-Intern vom 4. Oktober).

Schwache US-Wirtschaftsdaten gaben den Märkten den Rest

Das beeindruckte die Aktienmärkte allerdings zunächst nur mäßig. Zu dynamischen Kursverlusten kam es, als die Nachricht über die Ticker lief, dass der US-Einkaufsmanagerindex vom Institute of Supply Management (ISM) im November auf 48,1 Punkte gesunken ist, von 48,3 Zählern im Vormonat.

ISM-Index des verarbeitenden Gewerbes USA

Der moderate Rückgang alleine war dabei allerdings nicht der Grund für Kurseinbrüche. Zumal der aktuelle Wert laut dem ISM immer noch ein Wirtschaftswachstum von annualisiert 1,5 % signalisiert. Doch Experten hatten mit einem deutlichen Anstieg gerechnet (Bloomberg-Umfrage: 49,2). Und enttäuschte Erwartungen führen an der Börse eben häufig zu heftigen Reaktionen (siehe auch Berichtssaison etc.). Daher wiegte der leichte Rückgang des ISM-Index deutlich schwerer.

Trump schickte die Aktienmärkte in eine zweite Abwärtswelle

Zu einer zweiten Abwärtswelle ist es dann gestern gekommen, als Trump erklärte, es sei womöglich besser, bis nach der Präsidentschaftswahl im November 2020 zu warten, um ein Handelsabkommen mit China zu schließen. Anleger hatten bis dato gehofft, dass es deutlich früher zu einer Einigung kommen würde. Zuvor hatte es bereits Meldungen gegeben, dass die Verhandlungen ins Stocken geraten seien, wohl auch wegen der neuen „Hongkong-Gesetze“ der USA. Und damit wurde auch die Erwartungen an einen schnellen Abschluss des „Phase 1“-Abkommens in Frage gestellt.

Zudem plant die US-Regierung, mit neuen Zöllen auf die von Frankreich eingeführte Digitalsteuer zu reagieren. Dabei geht es um Zollsätze in Höhe von bis zu 100 % auf Importwaren im Wert von 2,4 Milliarden Dollar. Die EU-Kommission kündigte umgehend ein geschlossenes Auftreten und Gegenwehr an.

Fällt das Kartenhaus wieder in sich zusammen?

Und damit zeichnet sich nun genau das ab, was ich hier schon mehrfach beschrieben, kritisiert und befürchtet hatte: Außer warmen Worten gibt es im Handelsstreit keine sichtbaren Fortschritte. In Erwartung dieser waren die Märkte allerdings fröhlich immer weiter gestiegen. Und nun zeichnet sich eben wieder eine Eskalation der Zollstreitigkeiten ab, wie es auch bisher immer wieder der Fall war. Und das alles führte zu den aktuell fallenden Aktienkursen.

Dabei kann man mit Blick auf die US-Indizes nach wie vor durchaus noch Optimismus versprühen, wie es Torsten Ewert vorgestern getan hat. Denn die übergeordneten Aufwärtstrends sind dort noch klar intakt. Zuletzt wurden sogar immer neue Allzeithochs markiert. Kurze Rücksetzer haben wir dabei schon mehrfach gesehen. Sie wurden aber stets schnell wieder aufgekauft.

Bei den US-Indizes deuten sich Fehlausbrüche an

Mit den gestrigen Kursverlusten muss man allerdings vorsichtiger werden.  Denn der S&P 500 hat zum Beispiel die obere Linie der vermeintlichen Trompeten-Formation getestet. Dabei verlief der Test aus Sicht der Bullen noch erfolgreich (siehe grüner Pfeil im Chart).

S&P 500 - Chartanalyse

Anders sieht es beim Dow Jones aus. Hier zeichnet sich bereits ein Fehlausbruch ab (siehe roter Kreis im Chart).

Dow Jones - Chartanalyse

Und genau auf diese Gefahr hatte ich schon am 08. November bei der letzten Analyse des Dow Jones hingewiesen. In der damaligen Börse-Intern war Folgendes zu lesen: „Doch ist dieser Ausbruch nun schon nachhaltig? Ich würde ein klares Nein sagen. Noch sind keine dynamischen Anschlusskäufe zu erkennen. Deswegen reicht bereits ein schwacher Tag und die Bullenträume zerplatzen. Es ist also auch charttechnisch nach wie vor Vorsicht geboten.“ Da der Index zwischenzeitlich weiter zulegen konnte, hat es nun eben zwei Tage gedauert, um den Bullen den Angstschweiß auf die Stirn zu treiben.

DAX: Klarer Ausbruch auf der Unterseite

Im DAX haben wir leider schon seit dem 7. November keine klare Aufwärtstendenz mehr gesehen. Und mit dem aktuellen Kurseinbruch ist der deutsche Leitindex – nach einer erneuten Bullenfalle – klar aus seiner Seitwärtstendenz (gelbes Rechteck im folgenden Chart) nach unten ausgebrochen.

DAX - kurzfristige Chartanalyse

Damit ist der Aufwärtstrend hier schon deutlich gestört. Meine Skepsis  der vergangenen Wochen war daher also genauso berechtigt wie der Optimismus von Torsten Ewert am Montag. Jetzt muss sich eben zeigen, wie stark die Bären dieses Mal sind.

Jedenfalls ist der erste „Pinguin“ inzwischen ins Wasser gesprungen (siehe dazu „Warten auf den ersten Pinguin“) und hat weitere animiert, es ihm gleichzutun. Wer meinem Rat gefolgt ist, als kurzfristiger Trader die Stopps zum DAX bis unter die Seitwärtstendenz nachzuziehen, der hat jedenfalls nach wie vor nichts falsch gemacht. Mein weiterer Rat lautete, eine neue Trendbewegung abzuwarten, um dann in Trendrichtung prozyklisch einzusteigen. Mal sehen, wie hoch die Gewinne auf der Short-Seite nun ausfallen können…

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihrer Geldanlage
Ihr
Sven Weisenhaus

(Quelle: www.stockstreet.de)

Sven Weisenhaus ist Chefredakteur des renommierten Börsen-Newsletters Börse-Intern, der vom bekannten Börsen-Portal Stockstreet.de herausgegeben wird. Er schreibt dort auch die Analysen des „Target-Trend-Spezial“ - einem börsentäglichen Dienst, der den DAX und andere Indices nach der berühmten Target-Trend-Methode analysiert.

www.stockstreet.de

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