Märkte am Rand ihrer Funktionsfähigkeit

Die Märkte leiden aktuell an einer immer wiederkehrenden Schwäche nach kurzzeitigen Erholungen. Dabei werden die Erholungen meist getrieben von Meldungen über milliarden- oder gar billionenschwere Hilfen für die Finanzmärkte und die Wirtschaft. Doch diese verpuffen letztlich scheinbar wirkungslos, zumindest was die Nachhaltigkeit der Kurserholungen an den Börsen angeht.

Positive Meldungen verpuffen nach kurzer Zeit

Als zum Beispiel die New York Fed vorgestern um ca. 15:20 Uhr ein zusätzliches Übernacht-Repo-Geschäft im Volumen von 500 Milliarden Dollar ankündigte, stieg der Dow Jones binnen nur zwei Stunden um rund 1.500 Punkte (siehe grünes Rechteck im folgenden Chart). Übrig blieb davon am Ende nichts. Denn schon gestern früh musste der Future-Handel gegen 6:23 Uhr (MEZ) wieder unterbrochen werden, weil die US-Indizes um mehr als 5 % nachgaben (rotes Rechteck).

Dow Jones zeigt anhaltende Schwäche

Da half es auch nicht, dass China ankündigte, erstmals einen Impfstoff für klinische Studien freizugeben. Denn derartige Studien können sich über Wochen und Monate erstrecken, bis ein Medikament bzw. Impfstoff letztlich offiziell zugelassen wird.

Und es half auch die Meldung nicht, dass die von der US-Regierung geplanten Hilfen laut Finanzminister Steven Mnuchin ein Billionenvolumen haben und dabei auch direkte Schecks an Einzelpersonen ausgegeben werden sollen (Helikoptergeld). Vermutlich profitierten die Kurse davon nicht, weil noch nichts beschlossen ist. In gewöhnlichen Zeiten hätten derartige Meldungen ein Kursfeuerwerk gezündet. Aber in der aktuellen Situation sprang nicht einmal ein Funke über.

Ankündigungen der Notenbanken (noch) ohne nachhaltigen Effekt

Das gilt auch für die sich aktuell häufenden Beteuerungen von Notenbankern, man werde alles nötige tun, um zu unterstützen. Laut einem Insider der Europäischen Zentralbank (EZB) wolle die Notenbank durch Marktinterventionen etwaige Zweifel an Entscheidungen des EZB-Rats ausräumen. Angeblich ist die EZB bereits am Anleihemarkt aktiv. Geholfen hat auch das bislang nicht. Der Bund-Future befindet sich zum Beispiel im freien Fall, ganz im Stil der Aktienmärkte.

Bund-Future im freien Fall

Dass die Ankündigungen der Notenbanken aktuell ohne (nachhaltigen) Effekt verhallen, könnte auch daran liegen, dass die Begründungen für die Maßnahmen eher verunsichern als zu helfen.

So beschloss die US-Notenbank vorgestern Abend noch weitere Schritte zur Eindämmung der negativen wirtschaftlichen Folgen der Coronavirus-Krise. Rund zwei Dutzend Primärhändlern an der Wall Street werden ab dem 20. März 90-tägige Kreditspritzen zu günstigen Konditionen angeboten. Soweit, so gut. Doch dazu hieß es, die Notenbank wolle mit dem Schritt unter anderem für weiterhin funktionierende Märkte sorgen. Und für mich war es eher negativ zu lesen, dass die Märkte offenbar im Verdacht stehen, bald nicht mehr wie gewohnt zu funktionieren, trotz aller Erfahrungen und Konsequenzen aus der Finanzkrise!

Und auch die Ankündigung, die US-Notenbank werde kurzlaufende Unternehmensanleihen direkt von US-Firmen erwerben, hatte einen bitteren Beigeschmack. In Zeiten der Finanzkrise wurden derartige Papiere im Volumen von 738 Milliarden Dollar erworben. Diese Maßnahme soll nun erneut als Hilfsmittel eingesetzt werden, weil der Markt für derartige Geldmarktpapiere – sogenannte Commercial Papers (CP) – zuletzt auszutrocknen drohte, was auch eine beunruhigende Nachricht ist.

Die Märkte werden mit Liquidität zugeschüttet

Aber das war noch nicht alles. Der beschlossene Ankauf kurzfristiger Unternehmensanleihen wird von einem Kreditschutz flankiert. Dieser wird einen Umfang von 10 Milliarden Dollar haben. Das Finanzministerium stimmte einem entsprechenden Programm der US-Notenbank (Fed) zu. Gegenüber den oben genannten Summen klingt das fast wie ein Tropfen auf den heißen Stein.

Ruhe und Geduld sind gefragt

Jedenfalls folgt eine Maßnahme derzeit der anderen. Hier mal 10 Milliarden, da mal eine Billion. Doch die Märkte lassen sich bislang nicht beruhigen. Umso ruhiger muss man derzeit als Anleger agieren. Bei den stark gefallenen Kursen kribbelt es stark in den Fingern, auf Shoppingtour zu gehen, wenn man nur auf diese Möglichkeit gewartet hat. Doch hier heißt es nun, diszipliniert in kleinen Schritten in den Markt einzusteigen. Denn wie sich heute zeigt, kann es immer noch ein Stückchen weiter abwärts gehen (siehe Dow Jones-Chart oben). Und niemand weiß, von welchem Niveau letztlich eine nennenswerte Gegenbewegung startet. Und selbst wenn es zu dieser Gegenbewegung kommt, heißt das noch nicht, dass damit die Kursverlusten ein Ende haben. Denn der erste Boden ist selten der letzte.

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihrer Geldanlage
Ihr
Sven Weisenhaus

(Quelle: www.stockstreet.de)

Sven Weisenhaus ist Chefredakteur des renommierten Börsen-Newsletters Börse-Intern, der vom bekannten Börsen-Portal Stockstreet.de herausgegeben wird. Er schreibt dort auch die Analysen des „Target-Trend-Spezial“ - einem börsentäglichen Dienst, der den DAX und andere Indices nach der berühmten Target-Trend-Methode analysiert.

www.stockstreet.de

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